Bilder sind wie Musik für mich. Man muss sie fühlen und mit ihnen Geschichten erzählen können. Sie sind mein persönlicher Schrei nach Freiheit. Ich wünsche mir immer dort zu sein, wo ich gerade nicht bin. Rastlos, immer auf der Suche. Ich mache Bilder, um meinem stetigen Bedürfnis nach Mehr gerecht zu werden. Für die Entfernung. Für alles, was unerreichbar ist. Mit meinen Fotografien möchte ich etwas kreieren, das bleibt. Etwas, das die Zeit überlebt. Etwas, das jemand in 30 Jahren auf dem Dachboden findet. Ich bin nicht auf der Suche nach Antworten für Fragen, die ich mir nie gestellt habe – das Unklare und Ungewisse begeistern mich einfach zu sehr. Stellen Sie sich vor, die Ozeane wären komplett erforscht, oder alle Galaxien. Es wäre dem Ende gleich. Es würde das Ende aller Träume bedeuten. Wenn ich Bilder mache oder sie betrachte, bin ich genau an diesem Punkt, an dem es keine Fragen mehr gibt.

Welche Fotografen haben Ihren Stil beeinflusst und inspiriert?

Als ich vor knapp 9 Jahren angefangen habe zu fotografieren, war Social Media noch nicht so riesig und irgendwie war es schwerer Inspiration zu finden. Natürlich kannte ich Peter Lindbergh oder Annie Leibovitz, aber die meiste Zeit habe ich auf Tumblr und anderen Blogs verbracht. Das Problem daran war, dass meist keine Credits angegeben waren, wer denn nun diese wunderschönen Fotos gemacht hat. Mich hat generell einfach die Stimmung der Bilder unglaublich gefangen und inspiriert. Zudem habe ich 2011 oder 2012 einen Fotografen mit dem Namen Jean Philippe Lebee entdeckt, dessen Bilder eine unglaubliche Leichtigkeit, aber auch eine zu dem Zeitpunkt noch nicht „mainstreamige“ und interessante Bearbeitung hatten. Ich glaube mit seinen Bildern habe ich mich in die Idee verliebt, Bilder zu machen, die weit weg von Posing oder zu krasser Inszenierung Ihr Eigenleben entwickeln.

Wann haben Sie zum ersten Mal mit einer Leica fotografiert? Und was bedeutet die Marke für Sie?

Leica war mir natürlich schon immer ein Begriff. Allerdings war ich damals weder in der Lage mir eine Leica leisten zu können, noch kannte ich irgendwen der eine besitzt. Irgendwann habe ich Paul Ripke kennengelernt. Paul hat mich zu einem Shooting begleitet und ein paar kleine Making Of Fotos mit seiner Leica M 240 gemacht, die ich dann auch mal benutzen durfte. Das klingt jetzt vielleicht zu romantisch, aber der Geruch der Lederhülle, das Auslösegeräusch und die Haptik haben mich so krass angefixt, dass es mein Ziel war, auch irgendwann mal eine Leica zu besitzen. Wirklich im Einsatz war ich mit der M 240 dann das erste Mal in 2015, als ich einen Roadtrip nach Barcelona gemacht habe und Paul mir seine Kamera für zwei Wochen ausgeliehen hat.

Welches Konzept steht hinter Ihrer New York Serie?

Mein Konzept besteht eigentlich grundsätzlich darin, kein Konzept zu haben. Ich liebe es, irgendwo hinzufliegen, und nach ein paar Tagen oder Wochen mit einem fertigen, in sich geschlossenen Projekt wieder zu kommen. Vielleicht liegt hier drin auch die Stärke meiner Einstellung, Dinge einfach geschehen zu lassen. Ich glaube die Fotos hätten nicht diese Stimmung, wenn ich mir vorher zu viele Gedanken machen würde. Ich bin nach NYC geflogen, weil mir zuhause die Decke auf den Kopf gefallen ist. Alles was dort passiert ist, war dann reiner Zufall. Mehrere befreundete Models waren zufällig zum gleichen Zeitpunkt vor Ort, ich habe auf der Straße eine Kunststudentin aus Frankfurt kennengelernt. Mich mit einem Rapper aus Brooklyn angefreundet, den ich in der Metro kennengelernt habe. Ich bin die meiste Zeit zu Fuß durch diese riesige Stadt gelaufen. All diese Dinge passieren einfach. Und vielleicht erkennt man in diesen Fotos auch ein wenig die Schwere meiner Sehnsucht – dass ist wie das innerste nach außen kehren. Und ich liebe es, wenn Leute dann völlig frei von einem Leitfaden, Dinge und Gefühle in meine Fotos hineininterpretieren.

Welche Rolle spielt Farbe in Ihren Kompositionen?

Farbe spielt eine große Rolle. Genau wie Schatten oder Kontraste. Dazu muss ich sagen, dass ich ein riesengroßer Fan von Schwarz-Weiß Fotografie bin. Ich liebe gute SW Portraits oder Architektur Fotografie. Aber immer wenn ich einem meiner eigenen Fotos diesen Look verpasse, denke ich, dass was fehlt. Ich spiele gerne mit Komplementärfarben. Gebe meinen Bildern einen recht warmen Touch. Aber Farben und Lichter sind einfach das wichtigste, um eine Stimmung zu erzeugen, finde ich. Auch im umgekehrten Fall, wenn man Farben reduziert wie es ein Jomayra Texeira tut. Das wirkt dann direkt sehr cineastisch und gibt vor allem seinen Bildern eine grundlegend schwerere Stimmung.

An welchen anderen Projekten arbeiten Sie derzeit? Auf was können wir uns in naher Zukunft freuen?

Aktuell bin ich in den letzten Zügen eine Mercedes Benz Kampagne abzuschließen, die aber erst nächstes Jahr erscheint und global gespielt wird. Zudem fahre ich Ende November diesen Jahres noch für zwei Wochen nach Japan, um dort mit einer deutschen Schauspielerin ein Buchprojekt umzusetzen. Im Januar fotografiere ich dann wieder die Deutsche Handball Nationalmannschaft, hoffentlich auf Ihrem Weg zum WM Sieg im eigenen Land. Wobei ich bisher kein guter Glücksbringer war, haha. Viele Projekte und Ideen passieren bei mir auch recht spontan, so lebe ich mein Leben schon immer, und noch mehr seitdem ich eine Kamera habe.

Welchen Ratschlag würden Sie Ihren Berufskollegen geben?

Das ist eine schwierige Frage, weil ich selbst sicher nicht alles richtig mache. Für mich persönlich ist das wichtigste, sich selbst treu zu bleiben. Ich sehe viele Fotografen die sich verbiegen, keinen eigenen Stil finden, sich in Agenturen oder Dingen wiederfinden, die sie selber so niemals fotografiert hätten. Das ist schade. Ich könnte meinen Stil auch noch viel mainstreamiger fahren, und deswegen mehr Kampagnen oder Jobs machen, aber mir persönlich ist es wichtiger, dass Leute mich wegen meiner Handschrift buchen, und mich nicht als stupiden Dienstleister sehen, der Malen-nach-Zahlen abfotografiert. Ich weiß, das ist auch ein wenig zu romantisch gedacht, aber genau das ist Fotografie für mich. Eine Romantisierung der Realität. Ich würde das niemandem Raten, ich hatte schon immer den Hang zur selbstzerstörerischem Verhalten, haha. Das wichtigste ist vor allem, sich von Rückschlägen nicht unterkriegen zu lassen. Unkreative Phasen, verpasste Jobs, all diese Dinge gehören dazu, aber lassen dich wachsen. Einfach immer weitermachen.

Die Leica. Gestern. Heute. Morgen.

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